Wienerstraße 80, 2500 Baden +43 2252 86366 frage@forsthuber.at

Select your language

Willkommen

Dr. Gottfried Forsthuber und Mag. Gottfried Forsthuber

Herzlich Willkommen bei Forsthuber & Partner Rechtsanwälte!
Ihr Recht ist unser Auftrag! Als Anwaltskanzlei in Baden bieten wir Ihnen alle großen Rechtsgebiete spezialisiert an: Unternehmensrecht, Arbeitsrecht, Zivilrecht, Kaufverträge, Verwaltungsrecht Strafrecht, Familien- & Erbrecht, Immobilien-, Miet- & Wohnrecht, Insolvenzen, Betreiben von Forderungen uvm. Erfahren Sie mehr über Ihren Anwalt in Baden.

Suchen

Aktuelles

Zuviel gezahlt?

Im Nachhinein kommt das Erwachen: Zuviel gezahlt! Falsche Entscheidung! Ist eine Vertragsaufhebung möglich?.

Im Nachhinein kommt das Erwachen: Zuviel gezahlt! Falsche Entscheidung! Ist eine Vertragsaufhebung möglich?.

Der Streit eines Schrotthändlers mit einer Online-Marketing-Agentur brachte eine interessante Rechtsentwicklung: Der Oberste Gerichtshof entschied zum ersten Mal über die Frage, ob ein Vertrag rückabgewickelt werden kann, wenn der Empfänger der Leistung von Anfang an über die Angemessenheit des Preises irrt (sog. „Wurzelmangel“ – ein Mangel direkt an der Wurzel, am Ursprung des Vertrages).

Umso spannender ist die Entscheidung, weil beide Vertragsparteien Unternehmer sind.

Werbevertrag

Eine Online Marketing Agentur aus Salzburg, schloss am 26.04.2018 einen „Internet-System-Vertrag“ mit dem Beklagten, der ein Autoentsorgungsunternehmen betreibt („Schrotthändler“), mit einer Laufzeit von 48 Monaten. Darin verpflichtete sich die Online Marketing Agentur zur Erstellung einer Website samt Suchmaschinenoptimierung und Zusatzleistungen (Responsive Webdesign, Facebook Fanpage, Google my Business, Online Redaktion etc) sowie dazu, dem Beklagten diesen Systemumfang während der Vertragslaufzeit zur Verfügung zu halten. Es wurde ein pauschales Entgelt vereinbart, das im ersten Vertragsjahr 270 EUR netto monatlich und für die weitere Vertragslaufzeit 299 EUR netto monatlich betrug.

Zahlungsstopp

Im Jänner 2019 stellte der Beklagte die Zahlungen ein. Mit der am 08.03.2019 eingebrachten Klage erklärte die Online-Marketing-Agentur deswegen die vorzeitige Vertragsauflösung aus wichtigem Grund und wollte eine Abschlagszahlung vom beklagten Schrotthändler.

Zu seiner Verteidigung wendete der Schrotthändler ein, er sei in die Irre geführt worden. Zudem wäre der Werklohn für die Internet- Werbeleistungen um mehr als die Hälfte überhöht.

Vereinbart waren knapp 17.000 Euro (4 Jahre Laufzeit zu unterschiedlichen Monatssätzen). Die Agentur klagte aber nicht alles ein, sondern zog 35% als „Eigenersparnis“ ab. Nachdem etwa ein Jahr lang vom Autohändler brav gezahlt wurde, ging es letztlich um knapp weitere 9.000 Euro, die die Agentur zusätzlich bezahlt haben wollte. Sie warf dem Schrotthändler vor grundlos die Zahlungen eingestellt zu haben. Das Erstgericht und das Berufungsgericht, gaben der Agentur recht: der Schrotthändler müsse zahlen. Obwohl im Verfahren herauskam, dass die Leistung aber nur etwa 6.800 Euro wert war. Der ließ sich das nicht gefallen und ging bis vor den Obersten Gerichtshof.

Zum Verfahren

Die Eckdaten

# Der Vertrag wurde bis zur vorzeitigen Aufkündigung durch die Agentur erfüllt.
# Nur eine Zusatzleistung („Responsive Webdesign“) wurde teilweise erbracht.
# Der Schrotthändler erhob keine Mängelrüge (das müssen Unternehmer innerhalb angemessener Frist tun, sonst verlieren sie ihre Ansprüche auf Gewährleistung, Schadenersatz wg. Mangelschäden, Irrtum, aber auch wg. Verkürzung über die Hälfte; bis vor Kurzem, aber dazu sogleich)
# Mangels Rüge verurteilten die Vorinstanzen den Schrotthändler zur Zahlung.

Zudem sei
# gar nicht das volle Entgelt bezahlt worden (für die gesamte Vertragslaufzeit von 4 Jahren).
# in den AGB der Agentur vereinbart, dass diese erst leisten müsse, wenn auch gezahlt wird (Vorleistungspflicht).

Allerdings wurde die Revision an den OGH zugelassen. Und zwar zu der Frage, ob sich der Käufer bei Unterlassung einer rechtzeitigen Mängelrüge auf Verletzung über die Hälfte berufen kann, wenn der Kaufgegenstand mit einem anfänglichen Mangel (Minderwert) behaftet ist.

(Anm.: In diesem Fall wurde auch der Mangel bei der Ermittlung der Wertverhältnisse berücksichtigt (35% Abschlag). Trotzdem führte dies zu einer Verletzung über die Hälfte.)

Die Entscheidung

Der Schrotthändler machte im Wesentlichen geltend, der Wert der vereinbarten Leistung sei bereits von Anfang an um mehr als die Hälfte geringer als das vereinbarte Entgelt gewesen (6.800 Euro Wert vs. 17.000 Zahlungsverpflichtung). Ein von vornherein überhöhter – jedoch vertraglich vereinbarter – Preis könne kein rügepflichtiger Mangel im Sinn der §§ 377, 378 UGB sein. Damit könne man den Vertrag kündigen; auch ohne vorher der unternehmerischen Rügepflicht nachzukommen.

Daraufhin der OGH eindeutig und unmissverständlich:

„Diesem Vorbringen kommt Berechtigung zu.“ (Rz 12).

Bei Verträgen geht es immer um ein angemessenes Wertverhältnis Leistung vs. Gegenleistung. Ist dieses Verhältnis massiv gestört (Verhältnis 49:100), kann der Vertrag wegen Verkürzung über die Hälfte aufgehoben und rückabgewickelt werden. In diesem Fall bekäme nämlich der Zahlende nur weniger als die Hälfte dessen, was er andere ihm gegeben hat.

Dieses Recht besteht, egal ob es sich um einen Einzelfall (Kauf, Werkvertrag), ein Abo (Dauerschuldverhältnis) oder einen gemischten Vertrag handelt.

Die Anfechtbarkeit eines Vertrags wegen Verkürzung über die Hälfte soll dazu dienen, einen inhaltlich ungerechten Vertrag aufhebbar zu machen. Maßgeblich ist daher nur die Differenz zwischen dem objektiven Wert von Leistung und Gegenleistung, nicht worauf diese Differenz beruht. Sie kann entweder auf eine Fehlbewertung der mangelfreien Leistung (Fehleinschätzung des Verkehrswerts) oder auf eine Fehleinschätzung der Beschaffenheit der Sache zurückzuführen sein, die zu einer falschen objektiven Bewertung durch die Vertragspartei geführt hat (10 Ob 21/07x mwN).

Ansprüche aus Gewährleistung bzw. Verkürzung über die Hälfte können grds. gleichzeitig geltend gemacht werden.

Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass die Willensbildung des Schrotthändlers von Anfang an fehlerhaft war, indem er über den bestehenden Wert der Agenturleistungen irrte (und zwar zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses); er hat nicht erkannt, dass zu diesem Zeitpunkt der Wert Agenturleistungen unter der Hälfte seiner Zahlungen (bzw. künftigen Zahlungspflichten) liegt. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes lag der Grund für dieses Missverhältnis allerdings nicht in Mängeln, die Gewährleistungsansprüche begründen könnten.

Eine Rügepflicht bestand ebensowenig. Diese soll den Unternehmer dazu veranlassen, die erhaltene Ware „binnen angemessener Frist“ zu untersuchen. In Fällen der Abweichung vom Geschuldeten, einer Schlechtlieferung, Qualitätsmängel, Falschlieferung, Mengenabweichungen, muss Mängelrüge erhoben werden.

Vereinfacht: Einen Preis kann man aber nicht „untersuchen“. Man kommt in der Regel erst später zu Erkenntnis, dass zu teuer eingekauft wurde. Daher besteht für derartige Fälle auch keine Rügepflicht.

Die Agentur hätte den Vertrag dadurch retten können, indem sie die Ausgewogenheit der Leistungen wiederherstellt (Leistungsäquivalenz), indem sie das Entgelt kürzt. Das wäre bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz möglich gewesen. Davon hat die Agentur aber keinen Gebrauch gemacht. Vielmehr wollte sie alles minus 35% Abschlag.

Damit ist der Einwand des Schrotthändlers berechtigt. Er darf nach nur 10 Monaten Vertragslaufzeit (statt 4 Jahren) den Vertrag vorzeitig kündigen. Damit fehlt dem Klagebegehren die Rechtsgrundlage (da der Vertrag aufgehoben wurde) und der Schrotthändler muss nicht zahlen. Zahlen muss hingegen die Agentur. Und zwar die Prozesskosten.

[Detail:

[# Durch vorzeitige Kündigung: Beendigung für die restliche Vertragslaufzeit ex nunc.
# Durch erfolgreichen Einwand der laesio enormis: Vertragsaufhebung mit schuldrechtlicher ex‑tunc-Wirkung, somit rückwirkend auf den Abschlusszeitpunkt.]

Hier geht’s zur Entscheidung (OGH 15.12.2020, 10 Ob 48/20m)

Offen bleibt, ob für die Vertragsanfechtung wegen Verkürzung über die Hälfte eine rechtzeitige Mängelrüge iSd § 377 UGB erforderlich ist, wenn sich das Wertmissverhältnis erst daraus ergibt, dass die Sache an einem schon bei Vertragsabschluss bestehenden Mangel leidet (w.o.: Gewährleistung und Verkürzung über die Hälfte können gleichzeitig eingewendet werden).

Kurzfassung:
Auch ein Vertrag über Erstellung, Wartung und Hosting einer Website mit einer Laufzeit von 48 Monaten kann gem. § 934 ABGB angefochten werden, wenn der Preis mehr als das doppelte des gemeinen Werts der Leistungen beträgt. Die erfolgreiche Anfechtung bewirkt die Vertragsaufhebung mit Rückwirkung auf den Abschlusszeitpunkt.
Auch bei einem beidseits unternehmensbezogenen Rechtsgeschäft setzt die Anfechtung wegen Verkürzung über die Hälfte nicht voraus, dass der überhöhte Preis iSd § 377 UGB rechtzeitig gerügt worden ist.

Fragen? Jetzt Beratungsgespräch vereinbaren (telefonisch oder per Videokonferenz). Telefon: 02252 86 3 66

Weitere interessante Beiträge

Forsthuber & Partner Rechtanwälte

Ihr Recht ist unser Auftrag!

Als traditionsreiche Anwaltskanzlei in Baden bieten wir Ihnen alle großen Rechtsgebiete spezialisiert an und bieten Ihnen ein umfassendes Service.

Anschrift

Forsthuber & Partner Rechtsanwälte
Wienerstraße 80
2500 Baden
+43 2252 86 3 66
frage@forsthuber.at
Mo-Do: 9-12 Uhr und 13-17 Uhr
Fr:  9-13 Uhr