Seit 2004 hilft eine EU-Verordnung Flugpassagieren zu Ausgleichszahlungen bis zu 600€. Der EuGH entschied nun, wie vorzugehen ist, wenn ein Anschlussflug zur Gänze außerhalb der EU stattfindet.
Seit 2004 hilft eine EU-Verordnung Flugpassagieren zu Ausgleichszahlungen bei Flugverspätungen (wir berichteten). Ein Ersatzanspruch auf bis zu 600€ kann bestehen.
Die Rechtslage
Wann besteht ein Anspruch auf Entschädigung? Voraussetzung ist natürlich, dass der Passagier pünktlich beim Check-In war. Außerdem muss die Airline für den Ausfall oder die Verspätung verantwortlich sein. Dies ist normalerweise bei technischen Defekten der Fall, bei Naturkatastrophen oder Wetterbedingungen jedoch in der Regel nicht. Verspätungen über drei Stunden werden einem Flugausfall gleichgestellt und es besteht Anspruch auf Entschädigungszahlungen. Versäumt man wegen einer Flugverspätung seinen Anschlussflug kommt es auf die gesamte Verspätung bis zum Ziel an. Die "Fluggastrechteverordnung" ist bei allen Flügen anwendbar, die in der EU, Island oder Norwegen starten. Außerdem erfasst sie alle in der EU landenden Flüge (egal von wo), wenn die Airline ihren Sitz in der Europäischen Union, Island oder Norwegen hat.
Zusätzlich haben die Passagiere bei großen Verspätungen stets Anspruch auf Versorgungsleistungen. Zu diesen Leistungen zählen Getränke, Essen, kostenlose Telefonate und – falls notwendig – eine Hotelübernachtung (inklusive Transfer). Das gilt bei Flugstrecken bis zu 1.500 Kilometer bereits ab zwei Stunden Startverzögerung.
Bei einer Flugverspätung ab fünf Stunden kann der Passagier sogar von seinem Flug zurücktreten. Die Airline ist verpflichtet, ihm sämtliche Kosten zurückzuerstatten. Alternativ kann ein Fluggast aber auch von der Fluggesellschaft eine schnellstmögliche alternative Beförderung an sein Ziel oder den Ausgangspunkt seiner Reise verlangen.
Die Höhe der Entschädigung hängt von der Flugdistanz ab. Bei einer Verspätung über drei Stunden für Flugstrecken von 3.500 Kilometern oder länger besteht ein Anspruch auf 600 Euro Entschädigungssumme. Verzögerungen von Flügen mit einer Strecke zwischen 1.500 und 3.500 Kilometern kosten der Fluggesellschaft 400 Euro. Liegt die Distanz des Fluges unter 1.500 Kilometer, müssen 250 Euro an den Fluggast ausbezahlt werden.
Der aktuelle Fall
Frau Wegener vereinbarte mit Royal Air Maroc mit einer einzigen Buchung von Berlin (Deutschland) nach Agadir (Marokko) zu reisen. Dabei vorgesehen war eine Zwischenlandung in Casablanca (Marokko) mit einem Wechsel des Flugzeuges.
Frau Wegener checkte für die gesamte Strecke am Flughafen in Berlin ein. Die Maschine nach Casablanca hatte jedoch schon Verspätung. Dort wollte sie in der Maschine nach Agadir Platz nehmen. Die Beförderung wurde ihr aber mit der Begründung verweigert, dass ihr Sitzplatz anderweitig vergeben worden sei. Sie flog schließlich mit einer anderen Maschine und erreichte Agadir mit vier Stunden Verspätung. Sie verlangte Entschädigung aufgrund der EU-Verordnung. Die Sache ging bis vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH).
Die Entscheidung
Der Flug von der Zwischenlandung zum Zielort erfolgte vollständig außerhalb der EU. Daher fällt er nicht unter die Verordnung, wenn er als gesonderter Vertrag angesehen wird. Wenn die Beförderung jedoch als Gesamtheit mit Abflugsort in einem Mitgliedstaat angesehen wird, ist die Verordnung anwendbar. Entscheidend ist, ob die Flüge Gegenstand einer einzigen Buchung waren. Ob der zweite der beiden Flüge mit einem anderen Flugzeug erfolgte als der erste Flug ist irrelevant.
Ein Beförderungsvorgang wie in diesem Fall ist daher insgesamt als Flug mit Anschlussflügen zu betrachten und unterliegt der Verordnung.
Die Verordnung gilt bei Flügen aufgrund einer einzigen Buchung zwischen dem Abflug von einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats (hier: Berlin) und der Ankunft auf einem Flughafen im Gebiet eines Drittstaats (hier: Agadir), auch wenn es eine planmäßige Zwischenlandung außerhalb der EU (hier: Casablanca) mit einem Wechsel des Flugzeuges gibt.