Mit einem besonders skurrilen Fall mussten sich die deutschen Gerichte in den 90er Jahren beschäftigen. Es galt zu entscheiden, ob eine Veranstaltung mit "Zwergenweitwurf" in einer Disco stattfinden darf.
In einer Diskothek in Deutschland sollte 1992 eine Veranstaltung stattfinden, die mit folgenden Worten beworben wurde: “Die neue Sensation aus den USA, Zwergenweitwurf, zuerst bei Gottschalk, jetzt live in Eurer Disko, Bonsai-Warrior, ...". Der "Zwerg", der dabei geworfen werden sollte war mit der Untersagung der Veranstaltung nicht einverstanden und ging rechtlich dagegen vor.
Er brachte vor, dass er den Beruf des Artisten in der Form des “Zwergenweitwurfs” gewählt hat und bei seiner Berufsausübung darauf angewiesen ist, vor Publikum aufzutreten. Wird nun dem jeweiligen Veranstalter die Zurschaustellung verboten, so wirkt sich dieses Verbot unmittelbar auch auf seine Berufsausübung aus. Dadurch wird es dadurch unmöglich gemacht, dem von ihm gewählten Beruf nachzugehen.
Für die Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit des “Zwergenweitwurfs” mit den guten Sitten kommt es aber nicht darauf an, dass sich er sich freiwillig werfen lässt und die Veranstaltung selbst nicht als entwürdigend empfindet. Die Würde des Menschen ist ein unverfügbarer Wert, auf dessen Beachtung der einzelne nicht wirksam verzichten kann.
Die Veranstaltung eines sogenannten “Zwergenweitwurfs” verstößt nach der Beurteilung des Gerichts gegen die guten Sitten. In Deutschland ist die Menschenwürde explizit in der Verfassung als Grundrecht festgeschrieben (anders als in Österreich; hier verweisen mehrere Grundrechte auf die Menschenwürde, aber keines ist ihr direkt gewidmet. Sie "zieht" sich durch die Verfassung.). Die Menschwürde ist verletzt, wenn die einzelne Person zum Objekt herabgewürdigt wird.
Der sogenannte “Zwergenweitwurf” verletzt die Würde des Menschen. Bei dieser Veranstaltung geht es darum, dass Personen aus dem Publikum einen - hier kleinwüchsigen - Menschen möglichst weit werfen. Dadurch, dass der Geworfene hierbei wie ein Sportgerät gehandhabt wird, wird ihm eine entwürdigende, objekthafte Rolle zugewiesen. Der geworfene Mensch - sei er nun kleinwüchsig oder nur besonders leicht - wird zum Zwecke der allgemeinen Belustigung zum bloßen Objekt der Werfer aus dem Publikum gemacht. Die Attraktivität der Darbietung liegt nicht in der vom Darsteller in den Vordergrund gerückten artistischen Leistung, der professionellen Beherrschung des Flugverhaltens, sondern in der vom Veranstalter gebotenen Möglichkeit, unter dem Beifall des Publikums seine körperliche Überlegenheit an einem Menschen zu demonstrieren, der sich dies gegen Geld gefallen und wie ein Objekt behandeln lässt. Ein solcher Umgang mit Menschen ist herabwürdigend und trägt nicht zuletzt das beachtliche Risiko des Abbaus von Hemmschwellen im Umgang mit anderen Menschen in sich. Allein das Werfen eines Menschen wie ein Sportgerät begründet deshalb bereits das Urteil der Sittenwidrigkeit. Im konkreten Fall kommt als besonders anstößiges Moment hinzu, dass es sich bei dem Geworfenen um einen kleinwüchsigen Menschen handelt, wobei in diskriminierender Weise dieser als “Zwerg” und die Veranstaltung als “Zwergenweitwurf” bezeichnet wird.
In Österreich hatten sich die Gerichte noch nicht mit so einem Fall zu beschäftigen. Da die Menschenwürde nicht in einem eigenen Grundrecht festgeschrieben ist, würde ein "Zwergenweitwurf" hier womöglich gegen Artikel 8 EMRK verstößen.
Foto: Wolf of Wallstreet, Universal Pictures