Bundestrojaner & co: der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hebt Teile des 2018 verabschiedeten „Sicherheitspakets“ als verfassungswidrig auf.
Bundestrojaner & co: der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hebt Teile des 2018 verabschiedeten „Sicherheitspakets“ als verfassungswidrig auf.
Die aufgehobenen Bestimmungen betreffen
1. die verdeckte Erfassung und Speicherung von Daten zur Identifizierung von Fahrzeugen und Fahrzeuglenkern mittels bildverarbeitender technischer Einrichtungen
2. die Verarbeitung von Daten aus Section-Control-Anlagen durch die Sicherheitsbehörden
3. die verdeckte Überwachung verschlüsselter Nachrichten durch Installation eines Programms auf einem Computersystem sowie
4. die Ermächtigung, zum Zweck der Installation dieses Überwachungsprogramms in Räumlichkeiten einzudringen, Behältnisse zu durchsuchen und spezifische Sicherheitsvorkehrungen zu überwinden.
Verdeckte Erfassung und Speicherung von Daten zur Identifizierung von Fahrzeugen und Fahrzeuglenkern „unverhältnismäßig“
Zur verdeckten Erfassung und Speicherung von Daten zur Identifizierung von Fahrzeugen und Fahrzeuglenkern hält der VfGH in seiner Begründung fest, dass der Eingriff dadurch im Lichte des verfolgten Ziels unverhältnismäßig ist. Es handelt sich um einen gravierenden Eingriff in die Geheimhaltungsinteressen nach Datenschutzgesetz (DSG) sowie das Recht auf Achtung des Privatlebens der Betroffenen. Der Eingriff ist also unverhältnismäßig und die Bestimmung wird aufgehoben.
Verarbeitung von Daten aus Section-Control-Anlagen verletzt das Recht auf Datenschutz und Achtung des Privatlebens
Auch die neu geschaffene Befugnis zur Verarbeitung von Daten aus Section-Control-Anlagen durch die Sicherheitsbehörden geht dem VfGH zu weit. Die angefochtene Bestimmung über die Übermittlung der Daten genügt den Anforderungen des Datenschutzes und dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nicht. Der Zugriff von Sicherheitsbehörden auf personenbezogene Daten aus Section-Control-Anlagen stellt einen erheblichen Eingriff in diese Rechte dar. Von der Datenübermittlung ist ein zu großer Personen betroffen. Die angefochtene Bestimmung ist also verfassungswidrig. Es wird nicht gewährleistet, dass die gespeicherten Daten nur dann verarbeitet werden, wenn dies der Verfolgung und Aufklärung entsprechend schwerer Straftaten dient. Die Bestimmung wird deswegen aufgehoben.
Überwachung verschlüsselter Nachrichten durch „Bundestrojaner“ schwerwiegender Eingriff in Privatsphäre
Nach Auffassung des VfGH ist die vertrauliche Nutzung von Computersystemen und digitalen Nachrichtendiensten „wesentlicher Bestandteil des Rechts auf Achtung des Privatlebens nach Art. 8 EMRK“. „Die verdeckte Überwachung der Nutzung von Computersystemen stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die von Art. 8 EMRK geschützte Privatsphäre dar und ist nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes nur in äußerst engen Grenzen zum Schutz entsprechend gewichtiger Rechtsgüter zulässig.“ Der neu geschaffenen Ermittlungsmaßnahme („Bundestrojaner“) kommt „eine besondere – den anderen Überwachungsmaßnahmen der Strafprozessordnung nicht gleichzuhaltende – Intensität zu“. Die gewonnenen Daten lassen auch Rückschlüsse auf die persönlichen Vorlieben, Neigungen, Orientierung und Gesinnung sowie Lebensführung des Nutzers zu. Außerdem betrifft die Maßnahme „eine Vielzahl an auch unbeteiligten Personen“.
Die neue Ermächtigung zur Überwachung verschlüsselter Nachrichten ist laut VfGH also auch verfassungswidrig und wird aufgehoben.
Schutz der Privatsphäre der Betroffenen nicht ausreichend
Die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Regelung liegt zum außerdem darin, dass der Schutz der Privatsphäre von durch den "Bundestrojaner" Betroffenen nicht hinreichend sichergestellt ist. Der Rechtsschutzbeauftragte (der Justiz) ist zwar befugt, sich von der Durchführung einer Überwachung einen "persönlichen Eindruck" zu verschaffen. Dadurch ist aber nicht sichergestellt, dass der Rechtsschutzbeauftragte auch tatsächlich in der Lage ist, die laufende Überwachung eines Computersystems effektiv und unabhängig zu überwachen.
Eindringen in Wohnungen, Durchsuchung und Überwindung von Sicherheitsvorkehrungen zwecks Installation von „Bundestrojaner“ verstößt gegen Unverletzlichkeit des Hausrechts
Zum Eindringen in Wohnungen, Durchsuchung und Überwindung von Sicherheitsvorkehrungen zwecks Installation des „Bundestrojaners“ hält der VfGH fest, dass die Bestimmung gegen das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf Unverletzlichkeit des Hausrechts verstößt. Diese Regelung ermächtigt nämlich auch zur Durchführung von Hausdurchsuchungen, ohne dass der Betroffene davon Kenntnis erlangt. Dies widerspricht dem Hausrechtsgesetz, wonach Hausdurchsuchungen, die ohne Wissen des Betroffenen durchgeführt werden, diesem im Nachhinein – innerhalb der nächsten 24 Stunden – mitzuteilen sind. Die Regelung wird also auch aufgehoben.