Kaum bemerkt, gibt es seit Juli 21 ein neues Verfahren, um die Insolvenz zu vermeiden. Das ist vor Allem für Unternehmen von Bedeutung.
Kaum bemerkt, gibt es seit Juli 21 ein neues Verfahren, um die Insolvenz zu vermeiden. Das ist vor Allem für Unternehmen von Bedeutung.
Mittlerweile wurde auch in Österreich die Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie (RIRL) umgesetzt. Das neue Gesetz wurde „Restrukturierungsordnung“ (ReO) genannt und ist am 17.07.2021 in Kraft getreten. Es handelt sich dabei um eine zusätzliche (!) Möglichkeit der Schuldenregulierung. Ihr Kern: Insolvenzgefährdeten, aber noch nicht zahlungsunfähigen Unternehmen wird ermöglicht, in einem gerichtlichen Restrukturierungsverfahren eine Einigung mit den Gläubigern zu erzielen. Einige Bestimmungen sind der österreichischen Insolvenzwelt neu, manches steht auch im Widerspruch zu den Grundsätzen des Insolvenzrechts, etwa was die Gleichbehandlung der Gläubiger betrifft. Denn im Rahmen des Restrukturierungsverfahrens kann der Unternehmer mit von ihm (!) definierten Gläubigern, die in Gläubigerklassen einzuteilen sind, den Schuldenschnitt ausverhandeln und sie von seinem Restrukturierungskonzept überzeugen.
Was bei dieser Restrukturierung notwendig ist
Strebt ein Unternehmer dieses Verfahren an, darf der Betrieb noch nicht zahlungsunfähig sein. Es kann nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die Zahlungsunfähigkeit droht bzw. bald wahrscheinlich ist.
Zur Vorbereitung auf das Verfahren muss der Unternehmer ein Restrukturierungskonzept ausarbeiten. Darin muss er glaubhaft beschreiben, wie er den zukünftigen Fortbestand des Unternehmens sichern will und welche Maßnahmen er dafür plant.
Im Idealfall enthält der Antrag bereits einen Restrukturierungsplan. Er kann aber auch im Laufe des Verfahrens nachgereicht werden.
Damit er erfolgreich ist, müssen die miteinbezogenen Gläubiger zustimmen. Stimmen die ausgewählten Gläubiger nicht zu, scheitert der Plan.
In der Regel wird er auf jene zugehen, die für den Fortbestand bzw. die Umsetzung des Restrukturierungsplans entscheidend sind. Die Forderungen der nicht involvierten Gläubiger bleiben vom Verfahren unberührt und müssen in vollem Umfang bezahlt werden. Dazu gehören auch Arbeitnehmerforderungen. Im Gegensatz zu den involvierten Gläubigern, können die nicht miteinbezogenen Gläubiger weiterhin Exekutionen führen.
Neu: Gläubigerklassen im Verfahren
Die in das Restrukturierungsverfahren miteinbezogenen Gläubiger werden in Klassen eingeteilt.
# An der Spitze stehen die besicherten Gläubiger (zB Pfandrechte).
Die weiteren Klassen bilden
# unbesicherte Gläubiger,
# Anleihegläubiger,
# schutzbedürftige Gläubiger (Forderung unter 10.000 Euro) und
# nachrangige Gläubiger.
Im Unterschied zum Sanierungsplan (Insolvenzverfahren) gibt es keine Mindestquote.
Jede Klasse stimmt über den in der Restrukturierungsplantagsatzung vorgelegten Restrukturierungsplan ab. Grundsätzlich müssen in jeder Klasse mehr als 50 Prozent der anwesenden Gläubiger (Kopfmehrheit) und mehr als 75 Prozent der betroffenen Forderungen (Kapitalmehrheit) für die Annahme des Plans stimmen.
Das Gericht kann aber bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen dem Restrukturierungsplan auch dann die Bestätigung erteilen, wenn nicht alle Klassen zugestimmt haben. Nicht zustimmende Klassen können also vom Gericht überstimmt werden (Cram-down).
Das bedeutet
# eine Einschränkung der Mitbestimmungsrechte einzelner Gläubigergruppen
# Mehraufwand für die Gerichte, die prüfen und entscheiden müssen.
Restrukturierungsbeauftragter als Schnittstelle
Unterstützung erhält der Schuldner im Rahmen des Verfahrens von einem Restrukturierungsbeauftragten. Dieser ist nicht zwingend zu bestellen, außer das Gericht erachtet eine Bestellung für notwendig. Ganz allgemein gibt es aber gute Gründe, warum ein Restrukturierungsbeauftragter involviert sein sollte. Die Erfahrung aus Insolvenzverfahren zeigt, dass Insolvenzverwalter einen wesentlichen Beitrag für das Gelingen von Sanierungen leisten.
Zudem können die Geschäftsführer der maroden Unternehmen nicht einfach weiterwirtschaften wie bisher, sondern werden gewissermaßen „beaufsichtigt“. Positiv betrachtet kommen so auch neue Impulse ins Unternehmen.
Die Aufgaben eines Restrukturierungsbeauftragten sind zwar nicht unbedingt mit denen eines Insolvenzverwalters zu vergleichen, dennoch sorgt dieser als professionelle Schnittstelle zwischen Schuldner und Gläubiger für einen effizienten Ablauf des Verfahrens. Der Fokus der Arbeit des Restrukturierungsbeauftragten liegt in der Unterstützung des Schuldnerunternehmens bei der Ausarbeitung und Aushandlung des Restrukturierungsplans.
Keine Information nach außen
Im Unterschied zum Insolvenzverfahren sieht die ReO nicht vor, dass das Restrukturierungsverfahren von Amts wegen in der Ediktsdatei zu veröffentlichen ist.
Sonderverfahren: zwei zusätzliche Möglichkeiten
Es handelt sich dabei um
# das Europäische Restrukturierungsverfahren und
# das vereinfachte Restrukturierungsverfahren.
Im Unterschied zum allgemeinen Restrukturierungverfahren wird das Europäische von den Gerichten öffentlich bekanntgemacht. Auch haben Gläubiger auf Antrag des Schuldnerunternehmens in diesem Verfahren ihre offenen Forderungen wie im Insolvenzverfahren bei Gericht anzumelden. Das Europäische Restrukturierungsverfahren entspricht den Anforderungen der EU- Insolvenzverordnung und ist insbesondere für jene Unternehmen zu empfehlen, die über Vermögenswerte im EU-Ausland verfügen, da es auch im EU-Ausland anerkannt wird.
Sind von einer beabsichtigten Restrukturierung nur Finanzgläubiger (Kreditgeber, Banken) betroffen, dann kann das Schuldnerunternehmen die Eröffnung eines sogenannten vereinfachten Restrukturierungsverfahrens beantragen. Hier wird dem Gericht bereits ein mit den relevanten Gläubigern ausverhandeltes Restrukturierungspaket vorgelegt. So kann dieses vom Gericht rasch bestätigt werden. Es bedarf keiner eigenen Abstimmungstagsatzung. Dieses Verfahren kann bei guter Vorbereitung sehr zügig über die Bühne gebracht werden.
Wird das Verfahren ein Renner?
Aus heutiger Sicht bleibt abzuwarten, ob sich das Restrukturierungsverfahren in der Praxis tatsächlich bewähren wird. Zwar steht das Verfahren allen Unternehmen offen, aus unserer Sicht eignet es sich aber eher für Unternehmen ab einer gewissen Größe bzw. für Unternehmen, die auf professionelle Wirtschaftsberatung zurückgreifen können. Denn das Verfahren muss gut vorbereitet sein, insbesondere das Restrukturierungskonzept bzw. der -plan.
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